Historie

Historie:

Als ich mich vor Jahren zum ersten mal intensiver mit Spielzeugdampfmaschinen beschäftigte, war mir nicht klar, dass die politische Deutsche Vergangenheit der Jahre 1933 - 1945 auch in diesem Bereich eine gravierende Rolle gespielt hat. Auch hinter dem Gesicht der schönen heilen Spielzeugwelt lauerte damals die Maschinerie des Terrors. Leider liest man auf den diversen Sammlerseiten im Netz darüber nur sehr wenig, daher möchte ich diesen Punkt hier aufgreifen.

Das Unternehmen FLEISCHMANN wurde 1887 gegründet und  produzierte anfangs vor allem Blechspielzeuge wie Schiffe, Flugzeuge und magnetische Schwimmtiere.

Ab dem Jahr 1933 änderte sich dann einiges. Aufgrund der faschistischen Diktatur in Deutschland und den damit einhergehenden menschenverachtenden “Nürnberger Gesetzen” aus dem Jahr 1938 war es Menschen mit jüdischen Wurzeln nicht länger möglich in Deutschland zu leben und tätig zu sein.
Bereits im Jahr 1933 wurde das Unternehmen Doll & Co Nürnberg, welche für ihre Spielzeugdampfmaschinen weltberühmt war, im Zuge des Arisierungswahns  in “Fränkisch Metallspielwaren-Aktiengesellschaft” umbenannt. Im Jahr 1935 wurde dann die Übernahme durch Fleischmann eingeleitet. Am 22. Januar 1936 ging die Firma  Doll & Co endgültig in den Besitz der Firma Fleischmann über (Wolf Kaiser, Carlernst J. Baecker, Blechspielzeug Dampfspielzeug, 1983). So kamen unter anderem die Spielzeugdampfmaschinen als neuer Produktionsschwerpunkt zur Firma Fleischmann.

Die Inhaberfamilie der der Firma Doll & Co konnte Deutschland 1939 noch rechtzeitig in Richtung Amerika verlassen und überlebte so die faschistische Diktatur.

Laut Fleischmann wurde die Firma Doll im Einvernehmen mit den befreundeten jüdischen Inhabern übernommen, um sie vor dem Zugriff des NS-Regimes zu schützen. (Quelle: 100 Jahre Fleischmann, 1987, S. 38)
Wie und zu welchen Bedingungen die Firma Doll  & Co. von Fleischmann übernommen wurde, scheint jedoch nicht ganz klar zu sein. Hierzu möchte ich auf den interessanten Artikel “City of Toys, City of the Reich” von  Irene Reti aus dem Jahr 2008  verweisen. (Irene Reti ist die Enkelin von Max Bein, dem Neffen von Isaak Sondhelm, dem Mitbegründer der Firma Doll  & Co.)
Auch die private  Sammlerseite von David Curtis befasst sich kurz mit diesem Thema.
Umfassende weiterführende Hinweise zu diesem Themenkomplex finden sich auch auf den Internetseiten von trixstadt.de.

Bis zur kriegsbedingt verordneten  Einstellung der  Spielwarenproduktion um 1940 wurde das Programm von  Doll - wenn auch  reduziert -  weitergeführt. Bis etwa 1938 trugen die unter Fleischmann mit Doll - Werkzeugen gefertigten Modelle noch ein schwarz/goldenes Doll Firmenzeichen. Ab etwa 1938/39 wurde dann das Gebr. Fleischmann -  GFN  Logo verwendet.
1940 bis 1945 wurde dann die Produktion vom Spielwarenbereich auf militärische Gegenstände umgestellt.

Doll_339_2_1944_500

Ob es während der Zeit des 2. Weltkrieges wirklich keine Produktion von Spielzeugdampfmaschinen bei Fleischmann gegeben hat, ist nach meiner Meinung nicht gesichert. Die Aussagen in sämtlichen mir bekannten Publikationen sind da sehr allgemein und unpräzise.

Die nebenstehende Dampfmaschine vom Typ Doll 339/2 habe ich Anfang 2016 von einem Bekannten erhalten. Das sehr ungewöhnliche an dieser Maschine ist, dass der Kessel aus Zinkblech hergestellt worden ist. Zinkblech ist nun nicht gerade das Material, aus dem man Druckkessel baut und Doll hätte dies unter normalen Umständen wohl niemals getan. Für mich ist das ein Hinweis, dass diese Dampfmaschine in einer Zeit hergestellt worden sein muss, in der es für Spielzeuge kein Messing gab - dies war während des 2. Weltkriegs der Fall. Auch der ungewöhnliche Kamin weist darauf hin, dass diese Maschine u.a. aus “Restbeständen” gebaut wurde. 

Bereits kurz nach Kriegsende soll im Juni 1945 die Produktion von einigen Spielwaren aus der Vorkriegszeit wieder aufgenommen worden sein. Gesichert ist dies zumindest für das Jahr 1946 für den Bereich der Dampfmaschinen. Hier liegen Dokumente in Form von Betriebsanleitungen aus dem Jahr 1946 vor.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Dampfmaschinen  und  Antriebsmodelle von Doll  unter eigenem Namen  weiterentwickelt.  Etwas sonderbar erscheint hierbei jedoch, dass 1949 noch einmal ein  Katalog mit dem vergangenen schwarz/goldenen Doll - Logo erschienen ist. Wollte man hier erneut an den weltberühmten Namen Doll werbetechnisch anknüpfen?

Märklin stellte 1954 die Produktion von Dampfspielzeugen  ein. Ab diesem Zeitpunkt hatte Fleischmann fast eine Monopolstellung in  diesem Bereich (Wilesco hatte erst 1950 die Produktion von  Dampfmaschinen aufgenommen) . Der Rückgang der Nachfrage an Dampfspielzeugen führte jedoch  1969 zur endgültigen Einstellung der Produktion von  Dampfmaschinen und  Antriebsmodellen bei Fleischmann.